Wohnen im Grünen
Trotz Wintereinbruch, der Frühling steht dennoch in's Haus. Und damit wieder die Sehnsucht nach dem Wohnen im Grünen.
Fast alle Menschen, insbesondere junge Familien mit Kindern und alte Menschen im Ruhestand wünschen sich das. Und einige können sich das auch leisten. Manche wollen es sich erzwingen. Durch Umwidmung von Erholungsgebieten in Wohngebiete. Wie schaut das aber aus?

Erholungsgebiet für ganzjähriges Wohnen

Die Wiener Bauordnung und das Kleingartengesetz sehen eine Widmung "Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen" vor. Das ist ein Lügenwort. Es suggeriert, dass es in diesen Gebieten um ganzjähriges Wohnen geht. Das stimmt nicht. Ganzjährig wohnen kann man überall dort, wo es der Grundstückseigner der Kleingartenanlagen, also in den meisten Fällen die Gemeinde Wien, erlauben. Dafür muss dann meist mehr Pacht bezahlt werden. Die Widmung in den Gesetzen bedeutet vielmehr, dass es um die Verbauungsmöglichkeiten in diesem Gebiet geht. Es geht also um neues Bauland in neuen Dimensionen.

Grünland wird vernichtet.

Die Verbauung von max. 50m2 oberirdisch und mit 80m2 Keller, die Bauhöhe von 5,5m über ausgeglichenem Niveau mit insgesamt 250m3 Bauvolumen, die Wege, Terrassen, das Schwimmbecken, die Gartenhütte und die Pergola, sowie oft notwendige Stützmauern verdichten die Grundfläche und vernichten Grün in diesem "Erholungsgebiet" mit oftmals bis zu 70% der Grundfläche. Das ist nicht einmal in den Baulandbezirken Wiens erlaubt, die eine Drittelverbauung vorsehen. Die gesetzlich vorgeschrieben Durchgängigkeit für Erholungszwecke der Öffentlichkeit wird oft aus Sicherheitsgründen durch versperrte Türen unterbunden.

Unsoziale Kostenverteilung

Nahezu alle Aufschließungs- und Infrastrukturkosten, die sonst in Wien die Öffentlichkeit trägt, müssen von den Mitgliedern der Kleingartenvereine selbst aufgebracht werden. Also öffentliche Beleuchtung, Sammelkanal, Wasserleitung, Umzäunung, Wege, Stufenanlagen und Gemeinschaftsanlagen, sowie gemeinsame Parkplätze fallen zu Lasten der hoffnungsvollen neuen Bauherren. Wissen die das auch?

Wohnsubstandard

Die neuen Kleingartenhäuser sind ja wirklich hübsch, aber steile Treppenanlagen, niedrige Räume, kleinste Zimmerchen und das Fehlen jeglicher raumplanerischen Vorgaben - jeder kann hinbauen wo und wie er will - sind urbaner Substandard. Die Enge der Bauplätze schafft viel Raum für nachbarschaftliche Reibereien. Der Grillsonntag mit blauer Fettwolke drei Meter neben dem Fenster, der fröhliche Jubel der lieben Kleinen des Nachbarn und ihrer Freunde im Planschbecken fünf Meter neben dem Liegestuhl, die Kartenrunde mit ihren Triumpfgeheul beim Pagat ultimo just zum Nachmittagsschläfchen, all das macht oftmals aus dem grünen Paradies eine Dichtehölle.

Infrastrukturmängel

Ganz dort wohnen, auch im grauen November, auch im verschneiten Winter, auch im Alltag, lässt die Mängel der Infrastruktur erst so richt fühlbar werden. Kindergarten, Schule, Arzt und Einkauf kann zumeist nur per Kfz oder durch weite Fußwege erreicht werden. Die peripheren öffentlichen Verkehrsmittel bedeuten oftmals lange Wartenzeiten für die Fahrt zum Arbeitsplatz oder zu anderen Aktivitäten außer der gärtnerischen. Feuerwehr , Rettung, Schneeräumung haben große Schwierigkeiten für die Ausübung ihrer manchmal lebensrettenden Einsätze. Die Bezirke haben auch nicht die Mittel, um die notwendigen Maßnahmen für den Verkehr, also Straßen- und Wegeerweiterungen, sowie Parkplatze zu errichten.

Umwidmungsfolgen.

Nicht alle vergegenwärtigen sich, dass eine Umwidmung gleichbedeutend ist mit einer zumindest zwanzigjährigen sommerlichen Baulärmzeit. Jeder will irgendwann umbauen. Dann wann er halt das Geld dafür hat oder die Notwendigkeit. Mindestens zwanzig Sommer, Kelleraushub, Fels stemmen, Mischmaschinen, Bohr-, Schneide- und sonstiger Lärm. Zufahrt von LKW's, jeder Menge Handwerker und solche, die jene beliebte "Nachbarschaftshilfe" vorwiegend an Wochenenden ausüben.

Das Grundstück mit der neuen Widmung kann auch gekauft werden. Dazu muss zuerst die ganze Anlage auf Kosten aller vermessen werden. Später dann pfeifen viele der neuen Eigentümer auf die Vereinsstatuten und ihre Zugehörigkeit zum Kleingartenverein überhaupt. Das erschwert dann wieder alle Maßnahmen, die im gemeinsamen Interesse gesetzt werden sollen oder müssen. Unfrieden ist vorprogrammiert. Dazu tragen auch eine kleine Anzahl überall vorhandener Spekulanten bei, die auf Gewinne durch Verkauf rechnen und denen natürlich jede nachbarschaftliche Rücksichtnahme abgeht.

Zusammenfassend: Grünland Erholungsgebiet wird zu verdichtetem Bauland ohne die Vorteile dieser Widmungskategorie. Viele Nachteile tun sich erst im Zusammenleben auf engem Raum ohne Privatsphäre auf. Die Kosten sind nicht unbeträchtlich bezogen auf die Kapazität des Lebensraumes. Der Traum vom Wohnen im eigenen Haus mit eigenem Grundstück wird zu Karikatur und oft zum Albtraum. Aber geträumt wird dennoch und mit viel Leidenschaft!

Das führt dazu, dass auch mit gesetzwidrigen Maßnahmen, also zum Beispiel Unterschriftslisten für die Umwidmung ein notwendiger Beschluss der Hauptversammlung umgangen wird. Inzwischen sollten aber die Bezirksvorstehungen, Bezirksvertretungen, die Kleingartenkommissonen und wer sonst noch aller mit einer beantragten Umwidmung zu tun hat wissen, dass es ein Vereinsgesetz gibt. Und dass nicht nur das Wollen einzelner, sonder der demokratisch herbeigeführte Beschluss aller, überhaupt erst eine Handlungsgrundlage darstellen.

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