Was lange währt ...
ist noch lange nicht gut. Das habe ich drei Monate nach Rot/Grün Regierungsantritt zu Vasilakous Regierungserklärung vor nunmehr drei Jahren geschrieben. Es liest sich heute, nach dieser Zeit der grünen Allmachtsfantasien im Verkehrsbereich, durchaus recht amusant, ja zum Teil auch prophetisch.(Von Gerhard Pfeiffer)

Also, Was lange währt ...

ist noch lange nicht gut.

Unter diesem Aspekt ist die, nach mehr als drei Monaten erfolgte, „Pseudoregierungserklärung“ der grünen Stadträtin Vasilakou zu sehen. Denn was diese da im Architekturzentrum als „zehn Gebote“ verkündete ist mehr ein unpräziser Misch-Masch unausgegorener Vorschläge, denn ein stadtplanerisches Programm für Wien.

Hier geht der Wille nicht für’s Werk. Es wird den verschiedenen Phobien grüner Phantasten mehr Rechnung getragen, als dass ein politisch und fachlich sinnvoller Zielkatalog vorgelegt würde. Unscharfe Wunschbilder anstelle konzieser Ableitung aus dem Stadtentwicklungsplan.

Die Vorstellungen von Frau Vasilakou für ihr Resort entsprechen genau dem, was man in drei Legislaturperioden von ihr kennengelernt hat und was zu erwarten war: Viel Intuition und wenig klare Linienführung. Man kann daher durchaus sagen: “Die Zukunft war früher auch besser“ und im Falle der neuen Stadträtin, “Planung heißt den Zufall durch den Irrtum zu ersetzen“.

Aber das alles soll nicht durch allgemeine gehaltene Abschätzigkeit, sondern diese durch konkrete Kritik an Hand der, in der Zeitung „Die Presse“ aufgezählten Thesen, bestätigt werden.

1) *Mehr Lebensqualität: Vasilakou will verhindern, dass junge Eltern ins Umland ziehen. Wie? Mit mehr Grün und Freiräumen im dicht verbauten Gebiet.

Die ganze Armseligkeit zu einem solch umfassenden Thema offenbart sich schon in diesem ersten Punkt. Also, zuerst einmal mehr Lebensqualität nur für junge Eltern. Eine wie wir sehen werden typisch Haltung der Grünen, die nur für einen schmalen Sektor der Bevölkerung Lösungen anbieten, die anderen sollen zusehen, wie sie zu ihrer Lebensqualität kommen. Ein paar Beserlparks mehr, denn sonst ist ja kein Platz in der wie wir sehen werden „noch mehr zu verdichtenden Stadt“, werden das Lebensqualitätsgefühl der „jungen Eltern“ auch nicht in besondere Höhen entführen.

2) Mehr öffentlicher Raum: Fußgänger und Radfahrer sollen dabei Vorrang haben. Als "radikalste Maßnahme" wolle man Teile der Straße von den Autos "zurückerobern", z. B. für Radstraßen. Brachliegende Flächen sollen für "Community Gardening", also gemeinschaftliche Gärten, genutzt werden. Auch mehr Sitzgelegenheiten im öffentlichen Raum sind geplant: Poller sollen mit Klappsitzen ausgerüstet werden. Den Einkaufszentren sagt Vassilakou den Kampf an, stattdessen will sie Erdgeschoßzonen beleben.

Auch hier steht die Harmlosigkeit der aufgezählten Maßnahmen in einem groben Missverhältnis zum Anspruch. Deutlich wird da auch die Retrophilosophie des ganzen grünen Gedankensammelsuriums. Also. Anstelle Einkaufzentren, in denen die Menschen ohne Witterungsunbill und konzentriert auf ihre täglichen Versorgungsbedürfnisse, bei kurzen Wegen und reichem Angebot, alles erledigen können, soll es in Erdgeschossen wieder „Greissler“ geben, möglichst mit Klappsitzen an den Antiautopollern vor der Tür. Und den Rettich holt man sich von seiner „Community Gardenig“ Gstetten von der gerade freien Baulücke. Über solche Kompetenz kommt Freude auf.

Was bleibt ist der obrigkeitliche Zwang, Straßen die mit viel Steuergeld errichtet wurden, an Verkehrsteilnehmer abzutreten die weder die breite Bevölkerung darstellen, noch die alters- und berufsbedingte Verkehrsnotwendigkeiten haben. Die mit mehr als 10 Mio.Euro erbauten Radwege an der Zweierlinie, auf denen nur vereinzelt ausmachbare Radfahrer anzutreffen sind, werden aber durch den irrlichternden Herrn Chorherr mit viel verschwendeten Steuergeld am Ring ergänzt werden.

3) Mehr Energieeffizienz: Die neu gegründete MA 20 soll Bauwerber von Großprojekten bei energiesparender Planung anleiten.

Zwei Mio.Euro Steurergeld für diese neue Abteilung als Morgengeschenk für „no na“ Aktivitäten zu verschwenden, die durch viele andere Institutionen bereits abgedeckt werden, zeigt: Die SPÖ lässt sich den häuslichen Frieden in der Koalition viel von unserem Steuergeld kosten, solange von der institutionellen Appanage des Herrn van der Bellen nicht schon alles verputz wird. Mehr Anleitung für Energieeffizienz. Dass man nicht lache. Mehr Förderung von energiesparenden Anwendungen und Forschungseinrichtungen, das wäre ein Hit. Aber dann würden ja nicht grüne Seilschaften, die nunmehr bedient werden müssen durch Jobs in der neuen MA 20, versorgt werden können. Das ist einfach unglaublich.

4) Gemische Nutzung: Die verschiedenen Funktionen der Stadt (Büro, Wohnen, Einkaufen) sollen auch in einzelnen Gebäuden verstärkt durchmischt werden.

Wie soll das gehen, wenn nicht durch Eingriffe in die Freiheit der Menschen? In die Freiheit der Anbieter von Raum, die Freiheit von Nutzern und die Freiheit der Gestaltung? Die ganze Zwangsideologie – die einzige die bei den Grünen durchgehend feststellbar ist – feiert auch hier ihre Urstände. Also nutzt man schön, und gemischt. Übrigens ein Uraltschlagwort der SPÖ Stadtplaner: „Die Stadt der kurzen Wege“, u.a. am neuen Hauptbahnhof Wien, wo die Zugbenützer von der U-Bahn bis zur S-Bahn zwischen 400 und 500 Metern fußläufig (ohne Rad) zurücklegen werden müssen. Das zeigt Planungskompetenz, aber darüber war nichts zu hören.

5) Aus für Patchwork: Statt einzelner Projekte wie Bike-City (eine grüne Idee!) oder die autofreie Stadt soll eine "Stadtbaukultur" entwickelt werden, die "die Vielfalt der Lebensstile" berücksichtigt.

Das allerdings ist schon eine echte Drohung. Also keine vereinzelten Projekte grüner Kontraarchitektur, sondern gleicht ganze Bezirksteile werden sich dieser neuen „Stadtkultur“ zu unterwerfen haben. So wie z.B der siebente Bezirk, Neubau, in dem inzwischen unter grüner Führung immer größere Teile der Verslummung unterliegen. Breitflächige Verschmutzung, abgewohnte Straßenzeilen, aus denen die Betriebe flüchten, abgefuckte und verschmierte Fassaden, eine Stadtkultur zum Fürchten.

6) Stadtwachstum nach innen: Vassilakou will eher auf eine Verdichtung im städtischen Raum denn auf neue Stadtviertel setzen.

Überall wird der Dachboden ausgebaut oder Stockwerke aufgesetzt werden, wie ja schon in einigen Bezirken innerhalb des Gürtels. In den engen Straßen wird zum fünften der sechste Stock und mehr aufgesetzt. In viele Wohnung scheint das ganze Jahr keine Sonne mehr hinein. Ganz nach den neuen Planungsvorstellungen des grünen Ressorts.

Obwohl jeder, der sich mit Raumplanung beschäftigt weiß: Alle kommunalen Probleme kommen durch Verdichtung! Stress, Verkehr, Lärm, Rücksichtslosigkeit, Vereinsamung und innere Emigration. Aber die Grünen! Na,ja. Hauptsache, man braucht kein Auto mehr. Diese Logik ist klar, denn in den Randbezirken funktioniert die Sache mit den Öffi’s ja nicht wirklich. Geht auch nicht. Daher muss in der Burg alles zusammenrücken, wie schon im Mittelalter innerhalb der Stadtmauern.

7) Mehr Transparenz bei Jurys für Bauprojekte, mehr offene, zweistufige Wettbewerbe.

Da schau her. Das klingt ja wie Kritik am Koalitionspartner. Zweistufige Verfahren sind auch im Rahmen der MA19 (Stadtbild) von mir schon vor mehr als zehn Jahren angeregt und von dieser durchgeführt worden. Natürlich nur soweit nicht übergeordnete Interessen dagegen sprachen. Also z.B. solche der SPÖ. Das wird ein interessanter Punkt, den man nicht aus den Augen lassen sollte. Ob hier die grüne „Bravheit“ wider den Stachel löcken wird?

8) Mehr Bürgerbeteiligung: Als Musterbeispiel führt Vassilakou das Franz-Josefs-Bahnhof-Areal an, wo noch vor der Ausschreibung die Bürger nach ihren Wünschen befragt worden seien. Negativbeispiel sei der Augartenspitz.

Also, wieder ein frommes allgemeines Versprechen. Die Lust der Bürger an Beteiligung im Voraus ist endenwollend. Erst wenn etwas passiert, wird heftig remonstriert. Das wird eher weniger werden, denn die bisherigen Aufrührer, eine Mischung aus ewigen Besserwissern und besorgten Muttis, werden nunmehr eher unter dem Deckel gehalten werden. Aber das ist ja auch nur eine vorläufige Willensbezeugung. Wie das wirklich aussehen wird ist offensichtlich nicht einmal im Ansatz bekannt.

9) Mehr Dialog: Auf Kritik, verspricht Vassilakou, werde sie immer eingehen.

Also bisher ist immer nur der Dialog eingegangen, wenn man mit Grünen diskutiert. Ein Rückständiger Reaktionär zu sein war noch die eher schmeichelhafte Erfahrung bei solchen Dialogen. Wenn schon nicht die Daseinsberechtigung dann das noch immer Dasein, mit alternativ-konträren Gedanken, war schon beschämend genug. Und Widerrede war immer unakzeptabel. Das wird sich nicht ändern.

10) Mut zur Utopie: Als Beispiel nennt sie Selbstorganisation bei der alternativen Energieversorgung.

Ja und Mut, diese Legislaturperiode als Wiener Bürger zu überstehen, ohne Magengeschwür und Zornesfalten, das wünsche ich mir auch.

Das waren sie also die zehn Thesen. Sieben davon schwammige oder putzige Teilaspekte einer Stadtplanung und drei fromme Wünsche ohne Umsetzungsvorstellung.

Bleibt einzig die Idee einer Planwertabgabe für Aufzonung und damit Mehrbebauung von Grundstücken.

In einem von mir schon im Jahre 1996 initiierten Symposium haben internationale Referenten darüber berichtet. Die Idee dahinter war, die Stadt nicht immer nur durch Aufzonung zu verdichten, sondern bei Umwidmungen von Wiese in Bauland, wie in vielen Randbezirken immer noch geschieht, eine Abgabe auf den Planwertgewinn einzuheben.

Warum ? Um damit in anderen Bereichen der Stadt, wo es notwendig erscheint Abzonungen vorzunehmen, um Grünraum zu schaffen oder dem Stadtbild Rechnung zu tragen, den Eigentümern für die geringere Nutzbarkeit eine entsprechende Entschädigung zu zahlen.

Mit einem Wort aus der Stadtplanung als ausschließlich Baugrund schaffende eine solche zu machen, die ihren Namen auch verdient. Das wurde von der SPÖ dann sofort abgewürgt. Denn die eigentlichen Profiteure waren die Stadt selbst, für ihre kommunalen Bauten und die vielen roten Baugenossenschaften, die ja sonst nicht gewinnbringende Annoncen in roten Zeitungen hätten schalten können. Da wünsch ich den grünen viel Freude und wertschätzende Diskussionen.

August 2013

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